Die mächtigen Vierkanter

Zwischen Steyr, Enns, Wels und Linz, im oberösterreichischen Städteviereck, das immer mehr zu einer großen urbanen Agglomeration zusammen zu wachsen beginnt, breitet sich eine der eindrucksvollsten Bauernlandschaften Österreichs, ja Europas aus: das Viertel der Vierkanter. Im Osten ragt das Vierkantergebiet über Amstetten hinaus bis Melk tief ins niederösterreichische Viertel ober dem Wienerwald hinein - das eigentliche Mostviertel - im Norden reicht es über die Donau hinüber weit in das Mühlviertel bis in den Raum von Kefermarkt und Königswiesen hinauf und nach Westen franst es bis zum Mündungsgebiet der Großen Mühl und bis zur Ager aus. Der renommierte oberösterreichische Volkskundler und langjährige Direktor des OÖ. Landesmuseums Franz C. Lipp nannte sein Verbreitungsgebiet einmal die Herzkammer Österreichs.

Ein Vierkanter, das ist demonstrative Bauernherrlichkeit, bei verbauten Grundflächen bis zu einem halben Hektar, Fassaden mit bis zu mehreren hundert Fenstern wie im Extremfall des Jahreszeitenhofes bei St. Florian mit angeblich 365 Fenstern und insgesamt zwölf Türen und Toren. Im 17. und insbesondere 18. Jahrhundert hatte sich in der Florianer Gegend und in der Traun-Enns-Platte eine Gruppe von bäuerlichen Besitzern herausgebildet,die häufig als „Bauernadel“ bezeichnet wurden. Das waren Bauern, die mit keinem Hofrat in Wien tauschen wollten, die mit dem eigenen „Zeugl“ zur Kirche fuhren und die in die Weste die silbernen Taler eingeknöpft hatten.

Der Reiseschriftsteller Johann Georg Kohl nannte im Jahre 1842 den damals viel besuchten „Mayer in der Tann“. Der Mayer in der Tann, Grabwinkel 14, Gemeinde Ansfelden, KG Fleckendorf, war schon damals ein großer, zur Gänze gemauerter Vierkanter mit einem Grundbesitz von etwa 130 Joch, der nicht nur durch seine vorbildliche Wirtschaftsführung, sondern auch seine herrschaftliche Ausstattung herausragte. Vor allem wunderte sich Kohl über die „feiernden“ Zimmer dieses Hofes, die häufig gar nicht die Schlafräume für die „Herrenleut“ waren, auch nicht einmal Gästezimmer, sondern nur der demonstrativen Zurschaustellung des Wohlstands und der Vorräte dienten: „So findet man bei dem „Mayer in der Tann“ eine Reihe von möblierten Zimmern im oberen Stocke. Man erzählte mir, dass weiland der Kaiser Franz den russischen Kaiser Alexander, als er mit ihm durch Oberösterreich reiste, zum „Mayerin der Tann“ geführt habe, um ihm zu zeigen, welche wohlhabenden Bauern er in seinem Staate habe.

Ausformungen im 19. Jahrhundert

Die Hauslandschaft der Vierkanter hat erst im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Ausformung erhalten, in der sie sich heute präsentiert. Im 17. und 18. Jahrhundert gab es nur wenige Bauernhäuser, die sich schon so regelmäßig darstellten. Ihre Bauweise orientierte sich zweifellos am Vorbild der Klöster und Schlösser, waren sie doch häufig selbst klösterliche und adelige Meierhöfe oder aus solchen hervorgegangen. Im 19. Jahrhundert wurden an vielen Häusern umfangreiche Erweiterungsbauten durchgeführt und wurde erst die regelmäßige und geschlossene Form hergestellt, wurden Holzwände durch Mauerwerk ersetzt und wurde zuletzt häufig auch ein Obergeschoß aufgesetzt.

Der Baupraktiker Rudolf Heckl, der sich um die Mitte des 20. Jahrhunderts sehr intensiv mit der baulichen Entwicklung der oberösterreichischen Bauernhäuser befasste, rühmte die Vierkanter als die „vollkommenste Gehöftform der Welt“: „Solche Häuser sind gewöhnlich einen Stock hoch; im Viereck aus gut gebrannten Ziegeln erbaut,deren Fugen verstrichen oder mit Kalk ausgegossen werden oder die vollständig mit einem Mörtelanwurf bedeckt sind. Die vier Fronten messen zwischen 30 und 60 Meter und es beträgt dementsprechend die verbaute Fläche 9 – 36, ausnahmsweise sogar 57 Ar.

Die Vierkantform wurde gebildet, indem gegenüber- und nebeneinanderliegende kleinere und nur erdgeschoßige Gebäude an den freienSeiten durch Bretterwände (sogenannte Lorwände) abgeschlossen wurden. Die großen und stattlichen Vierkanthöfe der Florianer Gegend wurden meist nach 1840, und nur in einzelnen Fällen schon ab etwa 1770 erbaut. Um 1880 gab es in Oberösterreich ca.8500 Vierkanter. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden weitere 2000 Höfe vornehmlich im Hausruck- und Mühlviertel in die Form eines Vierkanters gebracht. Die Vierkantform wurde so verinnerlicht, dass im Bewusstsein vieler Bauern erst mit dem in einem durchgehend firstgleichen Viereck “eingefangenen” Hof ein vollständiges Bauernhaus erreicht schien.

 

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