Markenzeichen der Region
Die vollkommene Gehöftform
Rudolf Heckl sah das Charakteristische der Vierkanter in der „burgähnlichen“ und „kristallisch vollendeten“ Form, als Ergebnis eines bäuerlichen Strebens, den Hof als Einheit zu präsentieren und „Wohnhaus, Stall, Stadl und Schuppen nicht mehr getrennt in Erscheinung treten“ zu lassen. Heckl schwärmte für den Vierkanter: „Er ist eine der vollkommensten Gehöftformen der Welt und hat, um so vollkommen zu werden, mindestens 600 Jahre gebraucht. Aus einem Streuhof entstanden, ist er heute technisch gesehen nichts anderes als ein großes Einhaus, das im Ring herumgebogen wird, sodass alle Wege möglichst rationell und kurz werden...er ist die charakteristischste Bauform unseres Heimatlandes, die nicht mehr vervollkommnet, sondern nur mehr aufgelöst werden kann.“
Bei diesem Lob ist einerseits die Entwicklungsgeschichte historisch zu romantisch bis ins Mittelalter ausgedehnt, andererseits die technische Funktionalität des ganzen zu statisch auf das frühe 20. Jahrhundert projiziert.
Bauernadel, Bauernkapitalisten, Herrenbauern…
Die Vierkantbauern gehörten, könnte man sagen, zum Bauernadel, waren vielleicht auch Bauernkapitalisten, und sicher Herrenbauern. Es sind immer wieder die gleichen Namen, die in den Besitzgeschichten aufscheinen, und es ist ein Netz von Heiraten, Erbschaften, Adoptionen, Kaufverträgen, das die einzelnen Höfe verbindet und charakterisiert. Allerdings, die Vierkanterlandschaft ist keine typische „Erbhoflandschaft“ im Wortsinn. Man trifft kaum auf Jahrhunderte übergreifende Vererbungen in männlicher Linie. Erbhöfe im Sinne langer familiärer Kontinuitäten im Mannesstamme sind in der Vierkanterregion selten. In der Liste der 241 „Erbhof“ - Titelverleihungen der Ersten Republik vor dem „Anschluss“ an das Dritte Reich finden sich nur drei Höfe, die dem oberösterreichischen Zentralraum zuzurechnen sind. Die Höfe wurden verkauft, vertauscht, durch Adoption übergeben, vererbt, und immer wieder trifft man auf Töchter, die die Höfe übernommen haben oder mit in die Ehe nahmen. Die Übergabe- und Ausgedingeverträge, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgeschlossen wurden, sind wahre Kunstwerke notarieller Genauigkeit und Spitzfindigkeit. Vergessen wurde wirklich nichts, was für die Sicherung des Altenteils der Übergeber von Belang sein konnte. Aber sehr häufig wurden die Höfe auch zur Alterssicherung an die Übernehmer oder an neue Besitzer verkauft, und die Altenteiler zogen sich mit ihrem Kapital in Stadtwohnungen zurück.
„Hörndl“- und „Körndl“-Bauern
Die Vierkanthofbauern waren „Hörndl“- und „Körndl“ - Bauern. Gewölbte, geräumige Ställe waren der Stolz dieser Höfe. Bei den Vierkantern fiel vor allem die Größe der Pferdeställe im Verhältnis zu den Rinderställen auf, etwa im Verhältnis zwei zu eins: auf zwölf Rinder kamen sechs Pferde. Man differenzierte die Betriebsgrößen nach Pferden: Häusler (circa 1 Joch land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche), Söllner (zwischen 1 und 15 Joch), Zweirössler oder Halbbauern (15 bis 30 Joch), Vierrössler oder Ganzbauern (30 bis 55 Joch), Sechsrössler (55 bis 90 Joch). Darüber hinaus gab es auch Achtrössler und Zehnrössler. Bis zum Einsetzen der Dampfschifffahrt auf der Donau wurden in dieser Region auch die schweren Schiffszugpferde groß gefüttert. Der Bauforscher Rudolf Heckl verwies in seinen Planaufnahmen und Bauvorschlägen immer auf die geräumigen Keller zur Einlagerung des Obstmostes, des Sauerkrautes, der Kartoffeln, des Gemüses und der Milch.
Oberhalb des Mostkellers sei „das Presshaus angebracht, in dessen Mitte der so genannte Rosswalzel, eine mühlsteinähnliche Scheibe von 1 ½ Meter im Durchmesser steht, welche durch ein Pferd in Bewegung gesetzt, zum Zermalmen des Obstes verwendet wird.“ Diese Häuser hat der Most gebaut, sagte man. 1930 zählte man im Bezirk Linz-Land ca. 190.000 Apfelbäume und 150.000 Birnenbäume; seit den 1950er Jahren erst folgte der rasche Rückgang der Obstmostbereitung. Manche Betriebe erzeugten in guten Jahren 200 bis 300 hl Most: Birnen-, Apfel- und Mischlingsmost.
„A Mosthaus – a guats Haus“, hieß es bei den Dienstboten. Es war ein komplexes Netzwerk, das die Vierkanterlandschaft charakterisierte: Etwa 50 Prozent der Besitzstände in der Florianer Gegend um 1860 waren Häusler, die weniger als 0,5ha bewirtschafteten. Diese Häusler deckten den Bedarf der großen Bauern an Taglöhnern. Sie erhielten im Gegenzug dafür Zugleistungen, kleine Flächen zur Bewirtschaftung (Laßäcker) und Viehfutter. Die Besitzflächen, die Pferdenutzung und der Bedarf an Dienstboten, Taglöhnern und Saisonarbeitern standen in einem wechselseitigen Konnex.
Bäuerliche Wirtschaftsformen und Arbeitskräftein der Gegend von St. Florian um 1860
|
Fläche(Joch) |
Betriebe |
Pferde |
Dienstboten |
Taglöhner |
Saisonarbeiter |
Häusler |
1 |
225 |
0 |
0 |
0 |
0 |
Söllner |
1 - 15 |
56 |
0 |
1 |
0,09 |
0,09 |
Halbbauern |
15 - 30 |
60 |
2 |
3 |
0,8 |
1,17 |
Ganzbauern |
30 - 55 |
71 |
4 |
4 |
3 |
1,5 |
Großbauern |
55 - 90 |
34 |
6 |
5 |
3,5 |
2,25 |
Maierhöfe |
90 - 180 |
2 |
8 - 10 |
6 - 7 |
5 - 7,5 |
3,5 - 4,5 |
Quelle: Joseph Roman Lorenz v. Liburnau, Statistik der Bodenproduktion von zwei Gebietsabschnitten Oberösterreichs. St. Florian und Grünburg, Wien 1867, 87 ff. Eigene Umrechnungen und Auswertungen.